Mit Tapeten zu neuen Perspektiven

Mit Tapeten zu neuen Perspektiven

Beitrag aus Bergische Landeszeitung vom 02.08.2021

Verein „Die Kette“ hilft Menschen mit Behinderung

Es ist ganz still im kleinen Saal des gemeinnützigen Vereins „Die Kette“, der eine breite Palette an Hilfen für Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen bietet. Nach jahrelanger, auch Corona-bedingter Pause fand nun wieder die Kunstprojektwoche „Offenes Atelier“ mit dem Kölner Künstler Rolf Jahn statt- an fünf Tagen mit kleinen Gruppen, insgesamt 25 Teilnehmern. „Vor elf Jahren hatten wir zum ersten Mal das Offene Atelier – heute sind auch Menschen dabei, die schon damals mitgemacht haben“ sagt Sozialarbeiter Gerd Kühring, der mit dem Team auch die räumlichen Voraussetzungen geschaffen hat: Sechs Tische in Corona-gerechten Abstand für sechs Teilnehmer. Rolf Jahn, der sich als Künstler mit zeitgenössischer Malerei und Zeichnung aus Leinwand und Papier, Wandmalerei und Künstlerbuchunikaten einen Namen gemacht hat, hat für diesen Workshop Tapetenmusterbücher mitgebracht. Als er sie aufschneidet, entpuppen sich die großen Blätter mit ihren geprägten Strukturen als ideale Grundlage für ein intuitives Herangehen an das Schaffen. „Ich habe selbstverständlich nicht vorgegeben. Die Teilnehmer sollen frei sein in Farbe, Form und Material“, erklärt er das Konzept, das vor allem Menschen mit Hemmungen und anderen Problemen eine völlig freie Kreativität ermöglicht. 

Intuitiv und spontan
„Ich motiviere die Teilnehmer, nichts erreichen zu wollen und sich auf das Niveau von Vier- bis Fünfjährigen zu begeben, um nicht zielgerichtet zu sein, sondern offen für das, was passiert.“
Intuitiv werden spontan Farben übereinander gemalt und geklatscht. „Ich habe dann einen Abklatsch gemacht – aus den Vorbereitungen entstehen Hintergründe“, erklärt Lydia Milde. Wunderschön ist ihr Werk mit einem Meer von Blüten, die sich mit dem abstrakten Hintergrund verbinden. Ihr Partner Hartmut Block ist noch etwas zögerlich: „Früher habe ich mich nicht an solche Arbeiten herangetraut. Ich hab` versucht, gegenständlich zu malen, oder hab` die Bilder im Kopf gehabt. Da ist selten was draus geworden.“ Jetzt ist das intuitive Schaffen für ihn eine neue Erfahrung: „Ich weiß vorher nicht, was in solch einer Tapete drinsteckt.“ Ganz versunken übermalt Iris Sigina die Tapetenvorlage, auf der farbigen Impressionen in Schichten entstehen: „Ich bin jetzt bei der Fabre angekommen, früher habe ich immer nur in Schwarz gearbeitet“ Regina Graf hat auf ihr Werk ein Strichmännchen gepinselt: „Ich wusste nicht, was draus wird, Farben und Formen fügen sich einfach zusammen.“ An der Wand hängt schon ein erstes Werk von Christine Gronbach – in zarten Pastellfarben mit einer schwungvoll gemalten Form. „Das ist schon gerahmt für die Finissage“, berichtet sie. „Ich werde von Stunde zu Stunde freier.“
Für einige geht es weiter: Wie Hartmut Block und Lydia Milde, die an dem regelmäßigen Malkurs von Künstler Ralf Hennericci bei „Die Kette“ teilnehmen.
www.die-kette.de
Gisela Schwarz